unerfüllter Kinderwunsch und Beziehungsglück

In einem Radiointerview hörte ich von einem Paartherapeuten einmal diesen schlauen Satz: „Ein Kind ist ein Terrorangriff auf eine Beziehung. Nichts ist danach mehr wie es war. Jeder muss sich neu orientieren und das macht Angst.“ Sicherlich wahre Worte.

Doch was bedeutet dann der unerfüllte Kinderwunsch für eine Beziehung/Ehe? (wir haben ja viele befreundete Paare, die unser Schicksal teilen und daher möchte ich meine Erfahrungen an dieser Stelle mal zusammentragen.) Nun ich würde sagen, der unerfüllte Kinderwunsch ist wie ein Spionageangriff, bei dem ein gegnerischer Agent eingeschleust wird. Zunächst ist alles normal, vielleicht sogar besser, weil man ja nun dieses neue gemeinsame Ziel hat. Der Agent wiegt das Paar in Sicherheit. Doch nach und nach greift er an, kleine Ansatzpunkte, zunächst kaum merklich. Hier eine kleine Meinungsverschiedenheit, da ein paar Stimmungsschwankungen, die nicht Ernst genommen werden usw. Je länger der gegnerische Agent agieren kann, desto tiefer können die Einschnitte werden. Hier mal die klassische Vorgehensweise des Agenten:

  1. Phase: Hier stimmt doch was nicht… zunächst bemerkt nur einer (meist die Frau) den Eindringling, erste Vermutungen und erste Besuche bei Doktor Google betstätigen sie in der Annahme, dass irgendwas nicht so läuft wie es soll. Entweder ist ihr Zyklus nicht normgerecht oder die Übungsphase dauert nun schon geraume Zeit, ohne Erfolge, an. Über kurz oder lang wird sie an dieser Stelle das Gespräch mit ihrem Partner suchen. Je nach Beziehungslage und Typ, nimmt er sie bestenfalls Ernst in ihren Sorgen (beruhigt sie aber dennoch, auch weil er sich meist nicht vorstellen kann/will, dass was nicht stimmt). Schlimmstenfalls stellt er sie als total hysterisch dar und ignoriert das Thema völlig – dann kann es bereits hier zu ersten tiefen Rissen in der Beziehung kommen.
  2. Phase: Hier stimmt definitiv was nicht… Wird der Leidenddruck der Ungewissheit zu groß, sucht sie sich ärztliche Beratung. Der drängende Kinderwunsch rät ihr auch dazu. Ihm hingegen rät er meist sich der Peinlichkeit und dem Aufwand einer ärztlichen Untersuchung nicht zu unterziehen, schließlich soll erstmal geklärt werden, ob bei ihr alles passt. In dieser Phase kann es passieren, dass sie sich plötzlich völlig allein gelassen fühlt, mit dem anfangs gemeinsamen Projekt. Eine erste Entfremdung findet statt, sofern er nicht offen Interesse für ihre Ergebnisse zeigt und im Idealfall von sich aus die Bereitschaft signalisiert, sich untersuchen zu lassen. Je mehr sie ihn um Mithilfe bitten muss, umso tiefer der Einschnitt, den der Kinderwunsch in dieser Phase hinterlässt. (Allen Beteiligten sollte übrigens klar sein, dass auch Einschnitt der Anfangsphase nur sehr schwer zu heilen sind, selbst wenn man(n) sich später vorbildlich verhält.- Ich selbst kanbbere immernoch daran, dass mich in den ersten Jahren niemand hier Ernst genommen hat.) Sie wiederum sollte auch Verständnis dafür zeigen, dass die Situation für Männer oft noch befremdlicher ist (Wir Mädels kennen immerhin Vorsorgeuntersuchungen!). Teilweise nimmt er auch erst in dieser Phase so richtig wahr, was dieser Kinderwunch bedeutet und dass die lange Erfolglosigkiet nicht normal ist.
  3. Phase: Mit mir stimmt was nicht… Je nachdem, an wem es nun liegt, kann diese Phase bzw. dieser Gedanke durch den Kinderwunsch suggeriert werden. Dies führt zu weiterer Distazierung aufgrund der Schuldgefühle. Er/Sie könnte ja mit jemand anderem ein Kind haben bzw. muss nur wegen mir so viel leiden. Der betroffene Partner stößt den anderen, bewusst oder unbewusst, von sich, weil er seine eigenen Schuldgefühle nicht erträgt. Fest steht: Jeder muss diese Diagnose erstmal verarbeiten! Das dauert aber. Gleichzeitig fordert der Kinderwunsch in dieser Phase zum Aktionismus auf, um gegen die Ursache vorzugehen. Das kann aber einen oder beide zusätzlich belasten und damit die Situation weiter verschärfen, weil eine Verarbeitung der Diagnose nicht statt gefunden hat. (für „Neueinsteiger“ möchte ich sagen, es bringt überhaupt nichts, über die „Schuldfrage“ zu sinnieren… am Anfang unserer Geschichte lag es allein an mir, nach einem Jahr dann an beiden, nach zwei Jahren nur noch an meinem Mann und nun liegt es an keinem mehr und vielleicht ist nächsten Monat der Milchmann Schuld 😉 ) Hinzu kommt, dass der Geheimagent natürlich weiß, dass man im KiWu Bereich meist lange auf Termine wartet und daher spielt die Zeit für ihn. Zu den seelischen Belastungen kommen die ersten oragnisatorischen Probleme und eventuell erste finazielle Sorgen.
  4. Phase: Mit dem Partner stimmt was nicht… Kurz nach dem Beginn der 3. Phase startet Phase 4, die dann mehr oder weniger parallel zur 3 abläuft. Hier bemerkt der Partner die Veränderungen (und findet diese nicht gut). Weitere Distanz entsteht, wenn es hier zu Vorwürfen oder zur Verleugnung des Problems kommt: „Red doch nicht solchen Unsinn!“,“Wirst sehen es klappt bald.“, „Du steigerst dich da viel zu sehr rein!“, „Ach so schlimm wird es schon nicht sein“ usw. Gespräche sind in diesen beiden Phasen unerlässlich, bieten aber duch die angespannte Gesamtsituation auch viel Zündstoff. Übrigens darf amn auch als der „Unschuldige“ ruhig sagen, dass man die Situation doof findet, sollte dabei aber vermitteln, dass man es als gemeinsames Schicksal begreift und der KiWu an den Partner gebunden ist.
  5. Phase: Eigentlich stimmt hier schon lange nichts mehr… je nachdem wie gut man die beiden vorherigen Phasen gemeistert hat, hat man an dieser Stelle vielleicht den „Übeltäter“ entlarvt und kann nun bewusst versuchen, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dennoch kann es passieren, dass er immernoch den ein oder anderen Stich macht. Denn nun befindet sich das Paar in der heißen Phase – der Behandlung! Meist eingeleitet durch Verkehr zum Optimum – eine Methode, die genauso romantisch ist wie ein Besuch im Finanzamt. Selbst Paare mit intaktem Liebesleben kommen hier irgenwann an ihre Grenzen, denn das, was der Liebe eigentlich Ausdruck verleiht wird instrumentalisiert und mir einem Erfolgsdruck belegt. Hierüber kommt es oft zu Konflikten – weil einer nicht will/kann, weil einer auf eine bestimmt Stellung besteht (wegen der höheren Chancen) usw. Dazu meine persönliche Meinung, wenn frau natürliche Eisprünge hat, sollte man es nicht mit dem Druck übertreiben, ein Monat hoch oder runter ändert da gar nichts. Sollte sie allerdings Hormone nehmen müssen (die ja keine Bonbons sind!), dann sollte schon klar sein, dass er dann auch seinen Mann steht. Es gibt Leute, die malen an den entsprechenden Tagen einfach Zeichen in den Kalernder, um sich nicht noch über das wann und wie austauschen zu müssen. Hier muss jedes Paar selbst einen Weg finden, wie es mit dem Druck umgehen kann. Ist VzO erfolglos, folgen weitere Behandlungsschritte, die immer neues Konfliktpotential bringen. Der psychische, organisatorische und finazielle Druck wächst exponetiell und eventuell hat der Kinderwunsch zu diesem Zeitpunkt die beiden schon voll im Griff, d.h. die Beziehung läuft wegen des ganzen Stresses nach Automatismen ab und wird nicht mehr „gelebt“. Ist dies der Fall folgt die letzte Phase.
  6. Phase: Stimmungstief… Durch den ständigen Druck (selbstgemacht und von außen) und den Zeitstress kann es passieren, dass Dinge nicht mehr genügend ausdiskutiert werden oder zwischen den Partnern keine Nähe mehr entsteht. Die wiederholten Enttäuschungen und rückschläge kratzen extrem am Selbstwertgefühl – selbst starke Persönlichkeiten fühlen sich irgendwann in gewisser Hinsicht als Versager bzw. nicht mehr als „richtge/r Faru/Mann“. Eine zusätzliche Belastung kann hier noch die Geheimhaltung des KiWu sein, da dann auch der Rückhalt der Familie fehlt. Gleichzeitig birgt die Offenbarung auch Risiken, wenn erhoffte Reaktionen asubleiben. Irgendwann kommt es zum kompletten Stimmungstief und schlimmstenfalls zur Trennung. Studiuen belegen, dass sich bei erfolgloser KiWu-Behandlung ca. 70% der Paare trennen, was schade ist, denn schon 5 Jahre nach der Behandlung ist hat die Beziehung etwa wieder auf dem gleichen Stand wie vorher bzw. gestärkter. (Anm: Ich kann hier leider keine Quelle angeben, weil ich partout nicht mehr weiß, wo ich es gelesen habe, aber es war definitiv eine psycholog. Fachzeitschrift oder ein Buch bzw. ein Interview mit einem Paatherapeuten.) Es zeigt sich also ganz deutlich, der unerfüllte Kinderwunsch bringt keine plötzlichen Veränderungen, allerdings sind die Einschnitte durch die lange Dauer und die vielfältigen Belastungen oft besonsers tief und man muss bewusst an der Beziehung arbeiten, um das Ganze „unbeschadet“ zu überstehen.

Hier nochmals die wichtigsten Punkte: Man sollte den Kinderwunsch als gemeinsames Schicksal begreifen und auch so angehen. Als Frau sollte man den Partner immer wieder bewusst mit einbeziehen (Einige glauben, ihn „zu schonen“, würde Entlasung bringen -falsch: es führt zu Entfremdung. Er kann dann nicht verstehen, was man durchmacht und außerdem wird der Druck irgenwann für einen alleine zu groß, aber wie soll ein Mann nach 3 Jahren in einer Extremsituation richtig reagieren, wenn er vorher nie „üben“ konnte?).  Im Idealfall sollte der Mann bei allen wichtigen Schritten dabei sein – z.B. Insemination, Punktion etc. Ebenso sollte er wissen, wann ein US/Folli-TV ist, damit er dann selbstständig nach den Ergebnissen fragen kann. Darüber hinaus muss immer wieder neu verhandelt werden, wie weit man gehen will. Zum einen wegen der psychischen und körperlichen Belastung, zum anderen auch wegen des finanziellen Aspekts. Dabei sollte man Ängste und Sorgen offen theamtisieren und den anderen in seinen Bedenken auch Ernst nehmen.

Und zu letzt ein Tipp für die Neueinsteiger: teilt eure Karft ein, das hier ist vielleicht kein Sprint und auch keine Kurzstrecke… es kann zum Marathon werden!!! Und manchmal muss man sogar „zurück auf los“. Also verschwendet nicht zu viel Energie im Apps, Tees und ähnliches…versucht eure Beziehung möglichst unbeschadet durch die einzelnen Phasen zu bringen, denn im alleralleraller besten Fall folgt am Ende der Terrorangriff auf eure Beziehung! 😉

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22 Gedanken zu “unerfüllter Kinderwunsch und Beziehungsglück

  1. Liebe Einstrich, vielen Dank für diesen Beitrag. Der „Agent“ ist ein super Bild für all die Belastungen, die der unerfüllte Kinderwunsch und die Behandlung für eine Beziehung bringen. Ich habe Ben und mich in deinem Artikel jedenfalls sehr gut wiedererkannt. Ich glaube, wir schwanken in letzter Zeit immer wieder zwischen Phase vier und fünf.

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    • Liebe Anni, ich freue mich, dass du dich in dem Text wiederfinden konntest. Ich wünsche euch, dass ihr den Agenten gut im Auge behaltet, sodass ihr seine fiese Angriffe immer abwehren könnt. 💀🔫💑

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  2. Du schreibst mir aus der Seele. Das hast du wirklich super geschrieben und in einigen Punkten habe ich meinen Mann und mich auch wirklich wieder erkannt. Aber ich kann nur sagen, wenn der erste Schock verdaut ist, wird man wieder ruhiger. Ich bin nur mal gespannt wie die KiWu Behandlung wird und ob wir da weiterhin so ruhig bei bleiben. Ich habe das Gefühl das da grad die Männer total gelassen sind, während wir Frauen hibbeln?!?! Naja mal sehen.
    LG

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    • Ja so habe ich das auch beobachtet, die Gelassenheit der Männer wird eben oft als Desinteresse wahrgenommen. Aber gerade, wenn man seinen Mann kaum einbezieht, kann er ja auch nur gelassen sein, schließlich erkennt man die Tragweite der ganzen Behandlung nur, wenn man alle Details und Probleme erfasst. Lg

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  3. Der Milchmann ist Schuld, herrlich!!! 😀 Ein sehr treffender Artikel. Ich glaube aber, dass wir in einer anderen Phase sind. Vielleicht fünfeinhalb? In Behandlung, aber dennoch als Paar sehr gut aufgestellt. Zum Glück! Ich habe das Gefühl, dass uns vieles, was passiert, enger zusammenschweißt. Nach der Fehlgeburt habe ich gemerkt, wie sehr ich mich auf meinen Mann verlassen kann und dass er immer für mich da ist. Ich stimme dir aber zu, man muss sehr bewusst an der Beziehung arbeiten, darüber reden und sich gegenseitig ernst nehmen, das ist sehr wichtig. Und im Zweifel schieben wir eben alles auf den Milchmann. Der wird sich noch umgucken!!! 😉

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  4. Toller Blogeintrag, ich lese deine Einträge so gerne! Und ja da gebe ich dir komplett Recht es ist so wichtig viel zu reden um sich nicht aus den Augen zu verlieren, leichter gesagt als getan! Ich bin eher der Typ der alles mit sich alleine ausmacht und mein Mann derjeniger der Sachen anspricht und ausdikutieren will, was ansich ja super ist an manchen Tagen nervt es mich tierisch. 😉 Aber im nachhinein gebe ich ihm da Recht das es so wichtig und gut für die Beziehung ist! Das mit den 70% ist wirklich erschreckend und trotzdem kann ich es nachvollziehen, wie du schon geschrieben hast ist es meistens keine Kurzstrecke die man in der Kiwu-Behandlung macht sondern ein Marathon, leider!

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    • Ich freue mich sehr über dein Kompliment und dass du gerne mitliest. Danke! 😊 bei den 70% muss man wohl relativieren, dass schon per se beinahe jede zweite Ehe geschieden wird. Bei Paaren mit behinderten Kindern sind es sogar 80%..
      Glück im Leben ist immer auch all das, was einem nicht zugestoßen ist. Lg

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  5. „Terrorangriff auf die Beziehung“? – So ein unqualifizierter Kommentar von einem Therapeuten? Na Gute Nacht. Ein Kind ist sicher kein irgend gearteter „Terrorangriff“. Nein. Ganz und gar nicht.

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    • Der Vergleich ist sicherlich überzogen, dennoch ist es ja kein Geheimnis, dass bei etlichen Paaren nach dem ersten Glück eine Krise folgt, weil sie sich als Paar aus den Augen verloren haben. Für eine stabile Beziehung ist das natürlich kein Problem. 😊

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  6. Liebe Frau Einstrich, ein sehr schöner Beitrag! Da triffst Du den Nagel auf den Kopf. So ein unerfüllter Kinderwunsch kann an einer Beziehung wirken wie Termitenfraß. Zum „geglückten Terrorangriff“ muss ich sagen, dass wir den (bislang…) auch deshalb ganz gut überstehen, weil uns der Schreck noch im Nacken sitzt: Es schien ja ziemlich lange so, als würden wir wirklich kein Kind bekommen.
    LG die Tina

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  7. Puh, toller Beitrag. So habe ich es noch nie betrachtet, wir haben ja „nur“ 3 Fehlgeburten ertragen müssen und haben Mr. J und Bauchknopf auf natürliche Weise gezeugt ohne Hormonzeugs usw. Ich wünsche es daher den KiWu Paaren umso mehr, dass irgendwann sich die Strapazen lohnen!

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