Ich prokastiniere meine letzten Korrketuren für heute mal, indem ich festhalte, wie sich unser Spätzchen so entwickelt – denn ich bin mal wieder an einem Punkt, wo ich einfach darüber sinniere, was ich mit all meinen Beobachtungen anfange. (Bevor jetzt hier schon die Ersten aufstöhnen – man solle seine Kinder nicht vergleichen und sich nicht über sowas den Kopf zerbrechen, muss ich einwenden: DAS IST BLÖDSINN! Es ist die Aufgabe von Eltern sich über die Entwicklung ihres Kindes Gedanken zumachen, ob und wie man dann da eingreift, ist natürlich eine andere Baustelle. Auch muss man sich wegen „Abweichungen“ nicht undingt gleich sorgen, aber man sollte sie zumindest wahrnehmen. Ich habe z.B. eine Kollegin deren Tochter mit 2 Jahren begann Querflöte zu spielen, sie konnte das Teil kaum halten, aber sie konnte es spielen. Meine Kollegin hat dieses Talent gezielt, aber nicht verbissen, gefördert und heute ist das Mädchen 17 und eine Ausnahmemusikerin, die mehrere Instrumente beherrscht, komponieren kann und an internat. Festspielen teilnimmt.)
So nun jedenfalls hat unser Kind mal wieder den Entwicklungsturbo gezündet. Er führt mit uns und anderen mittlerweile komplexe Gespräche mit weitgehend korrekter Grammatik und teilweise komplexen Satzkonstruktionen. Er verwendet fast alle Personalpronomen richtig und kann die Partzipformen von regelmäßigen Verben bilden. Er kann steigern bzw. Adjektive in Relation setzten und erkennt gegensätzlich Andjektive sowie Satzverstärker. Bsp: Mama ich möchte WIRKLICH ein Eis! Er erfasst Mengen bis 3 , manchmal 5, problemlos und kann bis dahin auch „addieren“. Bsp: Eins und eins und eins – also drei Mama. Er weiß, dass Zählen wirklich etwas mit Mengenangaben zu tun hat und stellt logische Bezüge her. Bsp: Wir Essen mit den Großeltern. Auf dem Tisch steht ein Stapel Teller. Ole läuft zum Tisch, kommt sofort wieder und sagt mir, es fehle der Oma-Teller und der Ole-Teller. Ich widerspreche, weil ich annehme mein Mann hätte 4 Teller rausgestellt und es fehlt nur das Kindergeschirr, als ich hinkomme, sind es tatsächlich nur 3 große Teller. Solche logischen Bezüge innerhalb von Sekunden finde ich für ein Kind von 2,1 Jahren schon erstaunlich. Er hat jetzt innerhalb von 6 Tagen das Lied „Ich bin ein dicker Tanzbär“ auswendig gelernt und kann es alleine singen – er hat mich so oft genötigt es zu spielen oder zu singen, bis er den Text konnte. Auch andere Reime oder Fingerspiele merkt er sich sehr schnell. Er kann bis zu drei Anweisungen hintereinander aufnehmen und dann umsetzten. Bsp. „Geh zur Tür und zieh deine Schuhe aus und häng deine Jacke auf. Danach bringst du der Mama bitte die Zeitungen mit.“ Die Einhaltung von Regeln und Ordnung ist ihm sehr wichtig und er korrigiert auch andere Kinder oder Erwachsene. Im Tierpark laufen zwei Kinder vor ihrem Eltern weg, obwohl diese gesagt haben, sie sollen stehen bleiben. Ole zu mir: „Mama die Kinder hören gar nicht. Was soll das?“
Als der Lieblingsmann letztens mit Ole Einkaufen war, lief die örtliche Logopädin hinter ihnen und hörte quai ihre Unterhaltung. Sie kennt meinen Mann flüchtig und irgendwann fragte sie ihn, wie alt Ole sei. Auf die Info, dass er gerade zwei geworden ist, meinte sie dann aber nur, dass wir schon wüssten „dass das nicht normal ist“. Mein Mann verwies auf die Deutschlehrer-Mama, aber selbst das würde laut Logopädin diese Sprachentwicklung nicht erklären. Richtig nachdenklich wurde ich aber erst vor einer Woche. Ole hat innerhalb einiger Monate den Übergang von der ersten Frage-Phase (Was ist das? Was macht man damit?) zur zweiten Frage-Phase gemacht. Wir werden nun also täglich mit allen möglichen „Warum-Fragen“ überschüttet: „Warum ist der Emma-Papa nicht dabei? …weil er arbeiten muss… Warum? … damit er Geld verdient. Warum? Er braucht Geld, um Emma schöne Sachen zu kaufen. Warum will Emma schöne Sache? … usw.“ Eine Antwort, die übrigens keine weiteren Fragen nach sich zieht ist anscheinend „weil das cool ist“… Ole: „Warum hat unser Bus schwarze Felgen? Papa: …weil das cool ist. Ole singt und setzt seine Sonnenbrille auf: „Cool, cool Baby“.
Da mir das mit den vielen Warum-Fragen etwas spanisch vorkam, habe ich es mal recherchiert. Tatsächlich findet man viele der Dinge, die er schon kann oder tut im Bereich 3 bis 4 Jahren (Wobei ich auch andere so fitte kids kenne.), dennoch führte mich meine Recherche sehr schnell zu einer Seite für Hochbegabung auf der Beispielbeobachtungen von Eltern und Erzieher/innen standen – vom Babyalter bis in die Kindergartenzeit. Vieles davon kam mir extrem bekannt vor und ich bin mehr als gespannt, wie das hier weitergeht. Aus meinem Studium weiß ich, welche sozialen Probleme mit einer solche Entwicklung einhergehen können und bin deshalb sicher nicht ganz so unbefangen wie andere Eltern. Ich werde jedenfalls solche Beobachtungen jetzt noch verstärkter für mich festhalten. Denn irgendwie sind hier manche Sachen manchmal „nicht normal…“.
Ich brauche sicherlich nicht zu erwähnen, dass unsere Nächte momentan wieder im mittelprächtigen bis unterirdischen Bereich angekommen sind. Was ich noch erwähnen möchte, ist, dass es gerade für mich als Lehrerin sehr komisch ist, solche Überlegungen anzustellen, denn irgendwie bedient es so das Klischee von der Übermama, die sich das „erhofft“ oder „wünscht“. Und so ist es nicht, ich habe lange überlegt, ob ich mir das vielleicht alles nur einbilde und irgendwie ist es auch schade, denn es geht halt auch alles so schnell. Gerade kann er sprechen und macht so süße Fehlerchen, da zündet er den Turbo und man sieht sich mit der Warum-Phase konfrontiert. Dennoch sind mir diese Abweichungen natürlich lieber, als welche in die andere Richtung.
PS: Im nächsten Beitrag berichte ich dann mal von den neuen Stressoren im Vorzyklus, denn da sitzt ich auch oft da und frag mich: WARUM?
Viele Grüße Frau Mutterherz